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Kritische Anmerkungen des AKV zur beabsichtigten Insolvenzreform und eine revidierte Insolvenzvorschau aufgrund der beabsichtigten Verlängerung der Stundungen

Bereits bei Veröffentlichung der Insolvenzstatistik 2020 haben wir im Jänner 2021 darauf hingewiesen, dass das Jahr 2021 aufgrund der Gesetzesvorhaben die Insolvenzpraxis vor erhebliche Herausforderungen stellen wird. Zur beabsichtigten Gesamtreform des Exekutionsrechts (Grex) haben wir im Zuge der damaligen Aussendung bereits eine Stellungnahme abgegeben.

Vergangenes Wochenende hat die Bundesregierung die Umsetzung der EU Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie (RIRL) angekündigt und mit der gleichzeitigen Verlängerung der Stundungen von öffentlichen Abgaben bis 30.06.2021 fälschlicherweise den Eindruck erweckt, dass die Reform des Insolvenzrechtes in irgendeinem Zusammenhang mit der Corona-Pandemie steht.

Als bevorrechteter Gläubigerschutzverband, der in die Abwicklung sämtlicher Insolvenzen eingebunden ist, möchten wir einige beabsichtigte Änderungen kritisch beleuchten und unsere Insolvenzvorschau für 2021 revidieren.

  • 3-Jahresfrist für Unternehmer als 2. Chance?

Die Ermöglichung einer zweiten Chance für Unternehmer ist zentraler Punkt der RIRL. Mit der Insolvenzrechtsnovelle 2010 wurde das Firmeninsolvenzrecht in Österreich umfassend novelliert. Es ist weltweit eines der modernsten Insolvenzrechte mit dem höchsten Sanierungsanteil. Auch die von der EU geforderte Vertragsauflösungssperre und eine grundsätzliche Weiterführung eines Unternehmens in der Insolvenz sind seit 2010 tragende Grundsätze der österreichischen Insolvenzordnung. Im Vordergrund steht der Abschluss eines Sanierungsplans, wonach den Gläubigern eine Quote von zumindest 20 % binnen 2 Jahren anzubieten ist, Corona-bedingt wurde diese Frist für das Jahr 2021 auf 3 Jahre ausgedehnt. Eine Entschuldung ist daher binnen 3 Jahren bereits möglich.

Die eigentliche Forderung der EU, dass Unternehmern im Rahmen einer zweiten Chance die Möglichkeit gegeben werden muss, sich binnen 3 Jahren zu entschulden, ist längst Praxis der österreichischen Insolvenzordnung bzw. -abwicklung.

Die EU-Richtlinie verlangt keineswegs, dass sämtliche Entschuldungsverfahren auf  3 Jahre zu kürzen sind. Unseres Erachtens hätte es in diesem Bereich keiner neuen gesetzlichen Regelung bedurft.

Die Problematik besteht vielmehr darin, dass die dem Unternehmer auferlegte Verpflichtung binnen 60 Tagen bzw. im Falle einer Pandemie binnen 120 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzverfahren zu beantragen, in der Praxis zunehmend ignoriert wird. Auch seitens des Gesetzgebers erfolgt keine Gegensteuerung. In unserer Stellungnahme zur beabsichtigten Gesamtreform des Exekutionsrechtes (Grex) haben wir kritisiert, dass die Einleitung von Gesamtvollstreckungsverfahren eher von Gläubigerseite initiiert werden soll, anstatt auch hier die Insolvenzantragspflicht des Schuldners zu sanktionieren.

So wird üblicherweise ca. die Hälfte der Firmeninsolvenzen nicht über Eigenanträge der Schuldner, sondern über Gläubigeranträge eröffnet. Da derzeit die öffentlichen Stellen keine Anträge stellen, haben die eröffneten Firmeninsolvenzen im Jahr 2020 um 41,4 % abgenommen und noch größer ist der Rückgang im heurigen Jahr:

Eröffnete Firmeninsolvenzen
01.01.2020 bis 20.02.2020 399
01.01.2021 bis 20.02.2021 189 – 52,63 %

Hinzu kommt, dass zahlreiche Unternehmer ohne formelles Insolvenzverfahren das Unternehmen stilllegen und sodann Privatkonkursanträge stellen. Der Anteil von Ex-Unternehmern an den Privatinsolvenzen beläuft sich mittlerweile auf rund ein Drittel der Anträge. Hier hätten wir uns gesetzliche Signalwirkungen gewünscht, dass Schuldner frühzeitig Insolvenzanträge stellen, da in diesem Fall auch Abwicklungsprozesse geordneter und sowohl für Schuldner als auch Gläubiger effizienter ablaufen würden.

Sollte ein (Ex-)Unternehmer nicht die Möglichkeit einer Firmeninsolvenz mit zweijähriger Entschuldungsdauer, sondern eine Privatinsolvenz in Anspruch nehmen, so hat ihn bereits das IRÄG 2017 begünstigt, indem die Dauer eines Abschöpfungsverfahrens von 7 auf 5 Jahre verkürzt und die Mindestquote beseitigt wurden.

Völlig unverständlich ist, dass man nunmehr offenbar die Frist auf 3 Jahre verkürzen und sogar auf Konsumenten ausdehnen will.

Im Mittelpunkt der RIRL steht nämlich eine Entschuldung von Unternehmern, weil sie einer komplexen Marktlage, einer Wettbewerbssituation und damit einer erhöhten Insolvenzgefahr ausgesetzt sind.

Die Insolvenzursachen von Konsumenten sind anders gelagert. Die Durchschnittsverschuldung pro eröffnetem Privatkonkurs hat im Jahr 2020 EUR 141.300,- betragen. Im Privatbereich ist falsches Konsumverhalten primäre Insolvenzursache und im Regelfall handelt es sich um Verbindlichkeiten, die über mehrere Jahre angehäuft wurden. Durch den erleichterten Entschuldungszugang für Konsumenten besteht auch die Gefahr unbedachter bzw. leichtfertiger Begründung weiterer Verbindlichkeiten, welche nicht den tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten entsprechen. Es wird daher ein Signal in die falsche Richtung gesetzt, welche durch Quotenkürzungen die ohnehin leidende Realwirtschaft schädigt und Banken zu restriktiveren Kreditvergaben zwingt. Kredite werden derzeit oftmals ohnehin nur über staatliche Hilfen bzw. Garantien gewährt.

In diesem Zusammenhang ist auch nicht unwesentlich, dass die Coronakrise bei den derzeit eröffneten Privatinsolvenzen als Insolvenzursache noch keine Rolle spielt. Die aktuelle Massenarbeitslosigkeit wird sich erst in den Folgejahren auf dem Privat­konkurssektor auswirken.

Corona-bedingt eingeschränkte Beratungen seitens der Schuldnerberatungsstellen haben im Zeitraum 01.01.2021 bis 20.02.2021 dazu geführt, dass auch die Privatinsolvenzen um 22,2 % von 1.194 eröffneten Verfahren im Vorjahreszeitraum auf 929 eröffnete Privatkonkurse abgenommen haben.

Nach der RIRL soll die verkürzte Entschuldungsdauer zudem nur redlichen Schuldnern zugutekommen, sodass die Ausgestaltung dieses Grundgedankens im Gesetzesentwurf abzuwarten bleibt.

  • Neues Präventivverfahren

Entsprechend der RIRL wird ein gerichtliches Restrukturierungsverfahren eingeführt, um die Zahlungsunfähigkeit von Unternehmen zu verhindern und die Bestandsfähigkeit sicherzustellen. Im Vordergrund soll dabei die Eigenverwaltung stehen. Es kommt zur Bildung von Gläubigerklassen, der Restrukturierungsplan kann sich jedoch auch auf einzelne Gläubiger beschränken. Dabei soll auch garantiert werden, dass ein ablehnender Gläubiger nicht schlechter gestellt werden darf als im Liquidationsfall.

Dieses Verfahren wird entsprechend der EU-Richtlinie eingeführt, die Akzeptanz wird sich im Hinblick auf einen damit verbundenen Aufwand erst zeigen. So hat sich in der Vergangenheit weder das Vorverfahren noch der Ausgleich bewährt, welcher 2010 beseitigt und das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eingeführt wurde, welches ebenfalls bei einer nur drohenden Zahlungsunfähigkeit beantragt werden kann. Tatsächlich haben im Jahr 2020 nur mehr 23 Unternehmer ein solches Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung angestrebt.

Wie Unternehmen dieses für eine wahrscheinliche Insolvenz konzipierte Verfahren aufgreifen werden, wird sich daher erst zeigen.

  • Stundungen

Bereits in den letzten Insolvenzstatistikkommentaren haben wir ausgeführt, dass pauschale und unkontrollierte Stundungen Insolvenzverschleppungen bedingen und auch der Realwirtschaft höhere Forderungsausfälle bescheren werden. Bereits im Dezember 2020 und Jänner 2021 wurden langfristige Rückzahlungsmodalitäten gesetzlich festgelegt, welche individuelle Vereinbarungen zwischen öffentlichen Körperschaften und Unternehmen ermöglicht hätten, insbesondere in Branchen, die weiterhin von Beschränkungen betroffen sind.

Stattdessen wurde wiederum das Instrumentarium einer pauschalen Stundung gewählt.

Die Stundungen bewirken lediglich das Kumulieren weiterer Verbindlichkeiten, deren Rückführung mehr als zweifelhaft ist, nachdem die Stundungen in erster Linie Kleinunternehmer betreffen sollen.

Tatsächlich wird bei einem 50 % igen Insolvenzrückgang in Zeiten einer Wirtschaftskrise ein beträchtlicher Rückstau an Insolvenzen produziert. Diese zeitliche Verzögerung einer rechtzeitigen Insolvenzantragstellung wird die Sanierungschancen für Unternehmen und die Quotenaussichten für Gläubiger schmälern.

Hinzu kommt, dass bezüglich der Rückführung der Abgaben und der Sozialversicherungsbeiträge die Anfechtung dieser Zahlungen ausgeschlossen wurde. In der Vergangenheit haben daher die öffentlichen Körperschaften derartige Zahlungen gar nicht mehr angenommen, sondern bei einer vorliegenden Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag gestellt. Durch den Ausschluss des Anfechtungsrechtes ist nun zu befürchten, dass eher die Erlangung einer Zahlung im Vordergrund stehen wird, anstatt eine gleichmäßige Verteilung unter den Gläubigern im Zuge einer Insolvenzabwicklung anzustreben. Auch diese Ausfälle werden zu Lasten der Gläubiger der Realwirtschaft gehen.

Durch diese Stundungen wird sich nur die Insolvenzwelle um drei Monate in den Herbst verlagern.

Bei Veröffentlichung wird um Quellenangabe gebeten!

 Mag. Franz Blantz    

Dr. Cornelia Wesenauer

Bereichsleiter Insolvenz

Pressesprecherin
Insolvenz Wien/NÖ/Burgenland

                                                                                 

AKV EUROPA
Alpenländischer Kreditorenverband

 

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