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Sonderprivilegien der öffentlichen Hand im Insolvenzanfechtungsrecht auf Kosten der Insolvenzmasse und der übrigen Gläubiger
Stellungnahme des AKV zur Regierungsvorlage zum Betrugsbekämpfungsgesetz 2025
Der Alpenländische Kreditorenverband (AKV) gibt bekannt, dass die Bundesregierung in den Bereichen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge umfassende Betrugsbekämpfungsmaßnahmen über 2 Regierungsvorlagen normieren will.
Über ein „Hintertürl“ sollen im Insolvenzbereich Anfechtungen gegenüber dem Fiskus und den Sozialversicherungsträgern ausgeschlossen werden. „Insolvenzrechtler“ haben bereits in der Vergangenheit erfolgreich derartige Sonderprivilegierungen der öffentlichen Hand im Insolvenzrecht auf Grund fundierter rechtlicher Erwägungen abwehren können. In einem – in Verhandlung befindlichen – EU-Richtlinienvorschlag zur Harmonisierung einzelner Aspekte des Insolvenzrechts soll in Artikel II das Anfechtungsrecht EU-weit vereinheitlicht werden. Vorschläge, wonach öffentliche Körperschaften von der Anfechtung ausgenommen werden sollen, wurden im EU-Richtlinienvorschlag explizit nicht aufgegriffen.
Insolvenzpraktiker und der AKV sind darüber verwundert, dass entgegen der EU-weiten Tendenzen und fundierter Rechtseinwände ein neuerlicher Versuch einer „Sonderprivilegierung“ unternommen wird. Vor allem ein Konnex zu einer Betrugsbekämpfung ist nicht nachvollziehbar, vielmehr ist ein gegenteiliger Effekt zu befürchten.
Über Insolvenzanfechtungen sollen Rechtshandlungen, vor allem Zahlungen und die Bestellung von Sicherheiten, nachträglich für unwirksam erklärt werden, wenn sie nachteilig für die Gläubiger des Insolvenzschuldners waren und zu einem Zeitpunkt vorgenommen wurden, als der Schuldner bereits zahlungsunfähig war. Voraussetzung ist zumeist, dass der Anfechtungsgegner von der Zahlungsunfähigkeit Kenntnis hatte oder ihm eine solche bekannt sein musste. Damit soll dem insolvenzrechtlichen Grundprinzip der Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger nachträglich Rechnung getragen werden.
Diese Gleichbehandlung der Gläubiger ist seit 1982 ein wesentlicher Pfeiler des österreichischen Insolvenzrechts, nachdem mit dem IRÄG 1982 die Vorrechtsklassen der öffentlichen Hand beseitigt und der „klassenlose Konkurs“ eingeführt wurden. Diese Grundprinzipien sollen nun im Sinne einer „Budgetsanierung“ wieder fallen gelassen werden und es ist für den AKV eine neuartige Erfahrung, dass man nicht einmal die Mitglieder der beim BMJ installierten Insolvenzrechtsreformkommission eingebunden und/oder zu einer formellen Stellungnahme eingeladen hat, nachdem offenbar rechtliche Bedenken von den meisten Mitgliedern dieser Kommission zu erwarten waren. Über Eigeninitiative einzelner Mitglieder dieser Kommission wurden dennoch Stellungnahmen eingebracht und erhebliche Bedenken geäußert.
Auch der AKV hat in seiner Stellungnahme erhebliche rechtliche und faktische Bedenken ausgearbeitet und wir verweisen auf die beiliegende Stellungnahme. Hervorheben möchten wir folgende Aspekte:
Durch den Anfechtungsausschluss wird der öffentlichen Hand auch ein erhebliches Motiv für eine Insolvenzantragsstellung gegen Schuldner wegfallen. Gläubigeranträge werden in der Praxis vorwiegend über die öffentliche Hand gestellt, so dass diese einen wesentlichen Beitrag zur Marktbereinigung der Wirtschaft und Entschuldung der österreichischen Unternehmen darstellen. Diese Veränderungen werden zu einem erheblichen Masseverlust führen, weil verspätete Insolvenzantragsstellungen Sanierungs- und Konkursquotenaussichten drastisch reduzieren! Die öffentliche Hand wird bei Ausschluss eines Anfechtungsanspruches einen Insolvenzantrag erst stellen, wenn weitere Betreibungsschritte aussichtslos sind, während derzeit im Hinblick auf mögliche Rückforderungsansprüche des Insolvenzverwalters und der Gefahr des Entstehens weiterer uneinbringlicher Abgaben Insolvenzanträge frühzeitig und sehr schnell von der öffentlichen Hand gestellt werden. Durch den Entfall der Anfechtung gegenüber der öffentlichen Hand werden zudem auch Massemittel fehlen, um in jenen Insolvenzen, denen Betrugshandlungen vorgelagert waren, entsprechende Ermittlungen und Aufklärungen überhaupt vornehmen zu können.
Nicht nachvollziehbar ist der Hinweis auf die SIGNA-Insolvenzverfahren, nachdem im größten Verfahren der SIGNA Prime Selection AG die Abgaben nach einer Abgabengutschrift durch Aufrechnung erloschen sind und Anfechtungsansprüche in diesem Zusammenhang nicht erhoben wurden. Im Vordergrund stand eher, ob ein Insolvenzteilnahmeanspruch oder ein rechtliches Interesse der Republik Österreich für ein Rechtsmittel gegeben war, wenn eine Forderung nachträglich getilgt wurde.
Das Hauptargument für ein derartiges Privileg eines Anfechtungsausschlusses, nämlich, dass die öffentliche Hand Zwangsgläubiger sei, wurde in Praxis und Lehre bereits mehrmals widerlegt. So ist die öffentliche Hand im Betreibungsbereich gegenüber anderen Gläubigern ohnehin schon privilegiert, da Rückstandsausweise einen Exekutionstitel darstellen. Andere Gläubiger hingegen müssen einen derartigen Exekutionstitel erst in einem – meist kostspieligen – Prozess erwirken. Begründete Zwangspfandrechte der öffentlichen Hand werden im Unterschied zu Zwangspfandrechten anderer Gläubiger zum Teil von der Insolvenzeröffnung nicht berührt. Zudem hat der Oberste Gerichtshof (OGH) mehrmals judiziert, dass Abgabenbehörden und Sozialversicherungsträger weitaus schneller Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners erlangen können als andere Gläubiger. Die öffentliche Hand verfügt daher auch über entsprechende Informationsvorsprünge, um schnell entsprechende Betreibungsschritte einleiten zu können.
Es verwundert daher nicht, dass auf Grund dieses Informationsvorsprungs die öffentliche Hand in einem größeren Umfang von Anfechtungen betroffen ist, weil sie eben Kenntnis oder eine fahrlässige Unkenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit hat. Aus diesem Informationsvorsprung nunmehr eine Ungleichbehandlung abzuleiten, ist unseres Erachtens abstrus. Schleierhaft bleibt für den AKV in diesem Zusammenhang die Intention einer Betrugsbekämpfung, weil weder die Entrichtung öffentlicher Abgaben noch deren Rückforderung im Sinne eines Gleichbehandlungsgrundsatzes „betrügerische Handlungen“ darstellen.
Bezüglich der „Zwangsgläubigerschaft“ ist zudem relativierend auszuführen, dass nur ein Bruchteil der am Markt agierenden Unternehmen insolvent wird und über die „Zwangsgläubigerschaft“ Einnahmen bzw. Budgets in Milliardenhöhe vereinnahmt werden.
In der Praxis wird es zudem unmöglich sein einem Wirtschafstreibenden zu erklären, dass er wegen einer möglichen fahrlässigen Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit seines Vertragspartners einer Anfechtung ausgesetzt ist, während die öffentliche Hand sogar bei Kenntnis einer Zahlungsunfähigkeit Zahlungen „behalten“ kann.
Der AKV hofft, dass der Gesetzgeber auf Grund der insolvenz-, verfassungs- und unionsrechtlichen Bedenken aus der Praxis diesen neuerlichen Versuch einer Sonderprivilegierung überdenkt.

