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Insolvenzfähigkeit von Gemeinden – rechtliche Problematik eines solchen Verfahrens

Die angespannte finanzielle Situation der Gemeinde Matrei und deren Ersuchen an mehr als 100 Gläubiger einem Forderungsnachlass von 20 % zuzustimmen, haben zu einer Diskussion geführt, ob Gemeinden überhaupt insolvenzfähig sind.

In Deutschland wird ein Insolvenzverfahren einer Gemeinde nach § 12 der deutschen Insolvenzordnung und ausdrücklichen landesrechtlichen Bestimmungen ausgeschlossen, da eine Funktionsfähigkeit einer Gemeinde erhalten bleiben muss. So soll die Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht durch ein Insolvenzverfahren beeinträchtigt werden.

Unter Wahrung dieser Grundgedanken beschreitet Österreich einen anderen Weg. In der österreichischen Lehre und Rechtsprechung wird die Insolvenzfähigkeit von Gemeinden bejaht, denn insolvenzfähig sei jeder, der auch rechtsfähig ist, somit jede natürliche und juristische Person.

So wurden in den 1930er Jahren die 3 einzigen bisher in Österreich eingeleiteten Insolvenzverfahren über das Vermögen von Gemeinden eröffnet, nämlich Ausgleichsverfahren über Schwaz (1930) und Pinkafeld (1934), während 1933 über Donawitz ein Konkursverfahren eröffnet wurde.

In einer der wenigen dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen bestätigte der OGH am 21.11.1933, 4 Ob 435/33 (ZBI 1934/32) die Zulässigkeit des am 16.05.1933 über die Stadtgemeinde Donawitz eröffneten Konkursverfahrens, welches übrigens im Jahr 1934 nach Abschluss eines Zwangsausgleiches aufgehoben wurde. In der zitierten Entscheidung erklärte der OGH, dass über das Vermögen einer Gemeinde ein Insolvenz- (damals Konkurs-) verfahren eröffnet werden kann, wenn das nach § 15 Exekutionsordnung (EO) der Exekution unterworfene Vermögen zur Deckung der Verfahrenskosten hinreicht.

Daraus ist Folgendes abzuleiten:

Einem Schuldner wird nach § 2 Abs. 2 Insolvenzordnung (IO) – damals § 1 Konkursordnung – das der Exekution unterworfene Vermögen seiner freien Verfügung entzogen, sodass sich die Insolvenzmasse aus den pfändbaren Vermögensbestandteilen zusammensetzt. Dadurch finden auch die zahlreichen Exekutionsbeschränkungen für Gemeinden über diese Bestimmung Eingang in das Insolvenzrecht.

Die zentrale Norm § 15 EO statuiert, dass gegen eine Gemeinde zum Zwecke der Hereinbringung von Geldforderungen eine Exekution nur in Ansehung solcher Vermögensbestandteile bewilligt werden kann, als es dadurch nicht zu einer Beeinträchtigung der durch die Gemeinden zu wahrenden öffentlichen Interessen kommt.

Die Feststellung nach § 15 EO, welche Vermögensgegenstände der Gemeinde pfändbar und daher in die Insolvenz einbezogen werden, wird nicht vom Insolvenzgericht getroffen, sondern von den staatlichen Verwaltungsbehörden mittels Feststellungsbescheides. Da eine Exekution erst nach Vorliegen eines solchen Feststellungsbescheides bewilligt werden darf, kann daraus analog abgeleitet werden, dass derartige Bescheide auch vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens einzuholen sind.

Weitere Exekutionsbeschränkungen normiert die EO zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs (§ 28 EO). Für die Gemeinden (nicht für Landeshauptstädte und Städte mit eigenem Statut) sieht § 16 Abs. 2 des Finanz-Verfassungsgesetzes (F-VG) nicht nur ein Abtretungs-, sondern auch ein Exekutionsverbot auf die Abgabenrechte, Abgabenertragsanteile und vermögensrechtlichen Ansprüche vor, die ihnen aufgrund des Finanzausgleichsgesetzes gegen andere Gebietskörperschaften zustehen.

Auch diese Vermögenswerte fallen daher aufgrund des Exekutionsverbotes nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 IO nicht in die Insolvenzmasse.

Aus § 2 Abs. 2 IO iVm. § 15 EO folgt, dass die im öffentlichen Interesse gelegenen Aufgaben einer Gemeinde und deren Erfüllung gewährleistet werden sollen und die Gemeinde in ihrem Bestand und ihrer Souveränität nicht beeinträchtigt werden darf. Aus diesem Grund ist ein Gemeindeinsolvenzverfahren immer nur ein „Teilinsolvenzverfahren“.

Aus dieser Bestandsgarantie zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben wird in der Lehre zum Teil der Schluss gezogen, dass Gemeinden als öffentliche Körperschaften natürlichen Personen ähnlich sind und wie bei diesen der Insolvenzgrund der Überschuldung nicht anzuwenden sei. Insolvenzgrund soll daher nur jener der Zahlungsunfähigkeit sein. Diese liegt vor, wenn die fälligen Verbindlichkeiten mangels parater Mittel nicht bezahlt werden können und die dazu erforderlichen Mittel auch nicht alsbald verschafft werden können.

Jene Autoren, die die Überschuldung (Überhang der Passiva gegenüber Aktiva und keine positive Fortführungsprognose) als Insolvenzgrund bei Gebietskörperschaften bejahen, sind unterschiedlicher Auffassung, ob bei den Aktiva auch die nicht pfändbaren Vermögenswerte einzubeziehen sind. Auf der Passivseite wiederum sollen jene Verbindlichkeiten keine Berücksichtigung finden, die zur Erfüllung geschützter Aufgaben eingegangen wurden bzw. werden müssen.

In der Praxis würde die Feststellung der Insolvenzmasse ein erhebliches – nach manchen Lehrmeinungen ein unlösbares – Problem darstellen, vor allem bereits bei der Bestimmung bzw. der Festlegung, welche Aufgaben im öffentlichen Interesse liegen.

Unstrittig manifestiert sich das öffentliche Interesse im Bereich der Hoheitsverwaltung bei der Durchführung der Aufgaben im eigenen und übertragenen Wirkungsbereich. Ebenso in der Aufgabe als Schulträger von Pflichtschulen. Bei freiwilligen Gemeindeaufgaben soll es unter anderem darauf ankommen, ob ein gemeinnütziger Zweck (Schulwesen, Straßenerhaltung, Kanalisation, Friedhof, Feuerwehr etc.) vorliegt. Bei dieser Beurteilung treten sicherlich auch politische Wertungen stark in den Vordergrund, man denke nur an den Betrieb von kommunalen Wohnungsgebäuden, Bibliotheken, Hallenbädern oder Thermen.

Eine weitere Fragestellung betrifft die Erfassung der Vermögensbestandteile, welche der Insolvenz nicht unterliegen, da sie zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben benötigt werden. Nach einhelliger Auffassung kommt es nicht auf die Zugehörigkeit des Vermögensobjektes zum öffentlichen Gut, Verwaltungsvermögen oder Finanzvermögen an, sondern nur auf eine zu befürchtende Beeinträchtigung der Wahrung der öffentlichen Interessen. Zudem ist von der Verwaltungsbehörde ein neuer Bescheid zu erlassen, wenn nach Insolvenzeröffnung neues Vermögen zufließt oder bislang nicht vorhersehbare Aufgaben (z.B. Katastrophenfälle) an- oder wegfallen. Ebenso vermutlich dann, wenn die Mittel aus dem Finanzausgleich ausbezahlt bzw. verfügbar sind, sodass es zu einer laufenden Verschiebung zwischen der Insolvenzmasse und dem der Insolvenz entzogenen Vermögen kommen würde.

Zunehmend werden Gemeindeaufgaben an Sondergesellschaften ausgelagert. Die Zugriffsbeschränkungen des § 15 EO finden auf diese Gesellschaften selbst keine Anwendung, außer sie wurden durch Bescheid zu einer geschützten Anstalt erklärt. Andernfalls werden sich die obigen Überlegungen auf die Anteilsrechte beziehen müssen bzw. auf die Rechte und Pflichten aus einem Leasingvertrag (mittlerweile wurden bereits Gemeindeämter, Schulen etc. verkauft und zurückgeleast).

Hervorzuheben ist, dass im öffentlich-rechtlichen und geschützten Bereich ein Insolvenzverwalter über keinerlei Befugnisse verfügt, sondern diese Aufgaben weiterhin von den Gemeindeorganen bzw. dem von der Gemeindeaufsicht bestellten Aufsichtsorgan wahrgenommen werden.

Dieser kurze Überblick zeigt bereits die Fülle auftretender Probleme bei einem formellen Insolvenzverfahren bei gleichzeitiger Wahrung der Souveränität, deren Lösungen hoffentlich nicht in der Praxis erprobt werden müssen.

Bei Veröffentlichung wird um Quellenangabe gebeten.  

Rückfragenhinweis

AKV EUROPA
Alpenländischer Kreditorenverband

Mag. Franz Blantz
Leiter Insolvenzbereich
Tel: 05 04 100 – 8000

Dr. Cornelia Wesenauer
Pressesprecherin
Insolvenzabteilung Wien/NÖ/Bgld
Tel: 05 04 100 – 1193

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